In den wenigen Tagen, die wir nun in der Bucht von Tarrafal (Sao Nicolaos Haupthafen) liegen, haben wir uns in diese gruene, bergige Insel wirklich verliebt. Tarrafal an sich ist keine huebsche Stadt, aber die Bucht ist recht gut geschuetzt, man ankert in 5 bis 15 m Tiefe ueber schwarzem Sand, der Anker haelt gut und es gibt ein kleine Mole, wo man das Dinghi gut festmachen kann. Unter diesen Umstaenden koennen wir das Boot ohne die ueblichen Sorgen ein paar Stunden alleine lassen und die Insel erkunden.
Die gruenen, vulkanischen Haenge von Sao Nicolao sind nach den vielen Wuesteninseln, die wir seit Gibraltar besucht haben, ein wahrer Augenschmaus. Waehrend Sal und Boa Vista ein wenig Tourismus haben (Souvenirshops, Strassenverkaeufer, organisierte Touren fuer die Touristen in den wenigen umzaeunten Ferienanlagen), zeigt Sao Nicolao nicht einmal Spuren einer beginnenden Tourismusindustrie. Das liegt wohl daran, dass es nur ein kleines Rollfeld in den Bergen und kein ausgereiftes Faehrsystem gibt. Die einzigen Besucher kommen wohl von den etwa 20 vor Tarrafal ankernden Jachten.
Trotzdem ist es sehr einfach auf der Insel herumzukommen, weil nur wenige Leute eigene Autos haben. Der oeffentliche Verkehr hier funktioniert mittels “Aluguer” – Minibusse oder Pick-up Trucks ziehen ihre Kreise, der Fahrer ruft den Zielort so lange aus, bis das Gefaehrt entweder voll mit Passagieren oder Frachtgut ist und dann geht’s los. Sobald man herausgefunden hat, welches Vehikel wohin faehrt, huepft man einfach auf die Ladeflaeche – obwohl es schlau ist, vorher nach dem Preis zu fragen.
Heute Morgen sind wir zu einer Erkundung des Inselinneren aufgebrochen. Wir haben einen Pick-up truck gefunden und mit dem Fahrer eine Pauschale von 40 Euro fuer eine Inselrundfahrt herausverhandelt, was dividiert durch 3 (Steve, ein britischer Einhandsegler begleitete uns) einen akzeptablen Preis ergab. Der Truck erreichte bald die Berge und wir fanden bald heraus, dass es schlau gewesen waere, Jacken einzupacken. Die Strasse windet sich naemlich in Serpentinen bis zu einem Pass an den Haengen des Monte Gordo (1312 m). Obwohl man nur eine knappe halbe Stunde von der Kueste entfernt ist, wo wir uns schon lange an die taeglichen 30 Grad gewoehnt haben, herrscht hier ein voellig anderes Klima: der Vulkan ist meist in Wolken gehuellt, es ist kuehl, feucht und regnet oft. In Kombination mit der fruchtbaren, vulkanischen Erde fuehrt das zu einer ueppigen Vegetation. Die Ausblicke von der Strasse sind schwindelerregend, von einem Aussichtspunkt hoch oben sieht man sowohl die Nord- als auch die Suedkueste gleichzeitig. Nachdem die Strasse den Pass zwischen dem Monte Gordo und dem benachbarten zerkluefteten Gipfel erreicht hat, oeffnet sich der Blick auf das fruchtbare Faja Tal mit unzaehlichen kleinen Doerfern und einzeln gelegenen Bauernhaeusern. Hier wachsen Bananen, Erdaepfel, Papayas, Tomaten und Zuckerrohr auf steilen Terrassen – manchmal schoen organisiert, doch meist wild neben- und uebereinander. Obwohl wir vom Pass unser Ziel Ribeira Brava, die alte koloniale Hauptstadt, tief unten im Tal schon sehen konnten, fuehrte uns die Reise auf einem Umweg noch ca. 15 km weiter, weil die Haenge einfach zu steil fuer eine Strasse sind. Deshalb geht die Strasse erst weiter hinauf an die Nordkueste mit ihren hohen, schwarzen Klippen, bevor man sich Ribeira Brava dann wieder von Norden naehert.
Ribeira Bravas altes Zentrum mit der ehemals groessten Kirche in Westafrika geht auf das 19. Jahrhundert zurueck, doch die meisten Gebaeude dieser netten, relaxten Stadt sind neue, bunt bemalte Betonkonstruktionen. Wir sind durch die Stadt spaziert und haben in die kleinen Geschaefte und Handwerksbetriebe gespechtelt. Die Bevoelkerung wirkt sehr durchgemischt, alte Frauen sitzen vor den Haustueren, aber man sieht auch viele junge Leute – Landflucht scheint hier kein Problem zu sein. Wir haben ein Restaurant gefunden, das leider noch geschlossen war (Mittagessen gibt’s erst ab 1.30 Uhr), doch die Besitzerin oeffnete ohne zu zoegern die Kueche fuer uns und kurz darauf servierte die Grossmutter schon koestlichen, gebratenen Fisch mit mehr Gemuese, Kartoffeln und Reis als wir zu dritt vernichten konnten. Als wir nach dem ausgiebigen Mahl nach einem Glas Grogue (dem lokalen Schnapps) fragten, erklaerte sie uns kichernd, dass anstaendige Restaurants so etwas nicht verkaufen. Doch schon 5 Minuten spaeter erschien sie mit einer Flasche – immer noch kichernd.
Am Nachmittag fuhren wir zu dem ehemaligen portugiesischen Haupthafen Preguica an der Suedwestkueste. Der Hafen hat seine Wichtigkeit vor langer Zeit verloren, weil er ueber keine geschuetzte Ankermoeglichkeit verfuegt. Deshalb uebernahm Tarrafal mit seiner kleinen Mole und der flachen Bucht bald diese Funktion. Heute besteht das Dorf hauptsaechlich aus Ruinen und nur wenige Leute leben in den Steinhaeusern ueber der kleinen Anlegestelle.
Wir sagten dem Fahrer, dass wir noch mehr von der Nordseite der Insel sehen wollten, doch dazu mussten wir erst nach Ribeira Brava zurueck, wo sich mehr Passagiere zu uns gesellten. Die Reise fuehrte uns wieder zurueck durch die Berge, doch gegen Osten wird das Land flacher und als wir an unserem Zielort – dem Dorf Belem – ankamen, stellten wir erstaunt fest, dass Belem nur aus ein paar flachen Betonhuetten besteht, die im weiten Grasland verstreut liegen. Wir wanderten durch das Dorf, bald gefolgt von freilaufenden Ziegen und Hunden, aber nur wenigen Kindern – wir fanden bald heraus, dass die meisten von ihnen noch in der Schule waren. Wir schauten in das einzige, grosse Klassenzimmer hinein und die Kinder interessierten sich sofort wesentlich mehr fuer uns, als fuer die Mathematikstunde.
Nur die Strasse zwischen Tarrafal und Ribeira Brava ist asphaltiert und in gutem Zustand, das restliche Strassensystem besteht noch aus den alten, in portugiesischer Kolonialzeit gepflasterten Strassen, die fuer Fussgaenger und Esel angelegt wurden. Auf dem Rueckweg versprachen wir hoch und heilig beim naechsten Mal nicht nur Jacken, sondern auch Sitzpolster einzupacken…